Das Leitbild der Weggemeinschaft Vulkaneifel

Grundsätzliches

Menschen mit geistiger Behinderung, auch seelenpflegebedürftige Menschen genannt, haben ungeachtet der Erscheinungsformen ihrer Behinderung einen gesunden, intakten Wesenskern, der geistiger Natur ist.

 

Die persönliche und allgemeine Menschenwürde hat in diesem Kern ihre Wurzel und auch ihr Ziel.
Teil dieser Menschenwürde ist das Bedürfnis des Menschen nach Sinngebung, Entfaltung und Entwicklung des eigenen Wesens in den religiösen, sozialen und kulturellen Zusammenhängen, und im persönlichen Lebens- und Schicksalsweg.

Die Verwirklichung in Eigen- und Selbständigkeit des eigenen Lebensweges ist bei dem Menschen mit Behinderung jedoch eingeschränkt durch Schäden vielfältigster Art auf organischer und / oder seelischer Ebene, welche zu Einseitigkeiten und somit Ungleichgewichten führen.

Deshalb benötigen seelenpflegebedürftige Menschen vielfältige Hilfestellung durch ihre Umwelt, ihre Angehörigen und einen institutionellen Rahmen.

Die Weggemeinschaft Vulkaneifel als dieser institutionelle Rahmen versteht sich als Lebensort für seelenpflegebedürftige Menschen, mit der Zielsetzung der größtmöglichen Entwicklung der Persönlichkeit, sowie der Gestaltung des äußeren und sozialen Rahmens hierfür.

Als “Lebensort” verstehen wir vor allem die soziale Gemeinschaft, die dem Einzelnen existentiellen Schutz und Geborgenheit bietet und persönliche Entwicklungen ermöglicht.

Uns, den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen ist es ein Anliegen, dem Menschen mit Behinderung mit beruflicher Professionalität, aber auch mit dem Wissen um, und dem Respekt vor dem gesunden intakten Wesenskern zu begegnen.

Wir  bemühen uns um die Erkenntnis und die Verwirklichung dieses gesunden Wesenskernes eines jeden Einzelnen und sehen die Anthroposophie und das daraus abgeleitete Menschenbild als die Grundlage und den Orientierungsrahmen hierfür .

Wir sind uns bewußt, daß die Gestaltung einer sozialen Gemeinschaft und die Entfaltung der Persönlichkeit ein nie ganz abgeschlossener Prozeß ist, sondern der dauerhaften Bemühung aller Mitglieder der Gemeinschaft bedarf.

Wir wollen grundsätzlich eine Haltung der Offenheit und Wachheit für die Notwendigkeit neuer Entwicklungen und Lebensperspektiven des Einzelnen pflegen.

Ebenso ist uns bewußt, daß wir über die  professionelle Rolle hinaus, vor allem durch unsere Mitmenschlichkeit für die  Menschen mit Behinderung und unserem ganz persönlichen Einsatz zur Gestaltung der gesamten sozialen Gemeinschaft beitragen, und erst damit den institutionellen Rahmen zu einem umfassenden “Lebensort” erweitern.

Die Hausgemeinschaft

Das Leben in der Hausgemeinschaft bietet den sozialen Rahmen, der dem Einzelnen Geborgenheit und Lebenssicherheit eines “Zuhause-Seins”gibt.
Geborgenheit entsteht durch ein familienähnliches, partnerschaftliches Zusammenleben, in dem jeder Bewohner eine seinen Fähigkeiten gemäße Verantwortung für das Gelingen einer tragfähigen Gemeinschaft übernimmt.
Dies trägt zur Entwicklung von Selbstwertgefühl und Sozialkompetenz bei.
Je mehr der Einzelne lernt, eigenständige Verantwortung für die Gemeinschaft zu übernehmen, desto mehr wird er zum aktiven Mitgestalter der Gemeinschaft und Hilfegebenden für seine Mitmenschen.
Zielsetzung ist es dabei, soweit wie möglich vom Bild – auch des Selbstbildes – des “behinderten” Menschen wegzuführen, der sich in dieser eingeschränkten Rolle nur als Empfänger von Hilfen anderer erlebt.

Gleichwohl bedarf der Mensch mit Behinderung der Hilfestellung durch die Mitarbeiter in der Hausbetreuung.
Hierbei stehen gegenseitige Partnerschaftlichkeit, Verständnis für die Einschränkungen, Hilfe bei der Überwindung dieser Einschränkungen und die Entwicklung individueller Fähigkeiten im Vordergrund.
Die menschliche Beziehung der Mitarbeiterschaft und der Bewohner bildet die unerläßliche Grundlage für die gemeinsame Suche nach neuen Entwicklungsmöglichkeiten, der Überwindung von Lebenskrisen und das Verständnis für die besondere Schicksalssituation des Menschen mit Behinderung.

Werkstätten

Arbeit ist ein wichtiger Aspekt der Selbstverwirklichung für jeden Menschen, gerade für den Menschen mit Behinderung. Durch die Arbeit und deren Ergebnisse hat er Anteil an der Welt, er ist somit Mitgestalter seiner Umwelt.

Auch die Arbeit trägt damit dazu bei, vom einschränkenden Bild der Behinderung wegzuführen  und ist demnach ein wichtiger Bestandteil der  Persönlichkeitsbildung.

Die Arbeitsbereiche und -inhalte sind so gestaltet, daß sie nicht primär auf die Maximierung der Leistungsfähigkeit des Einzelnen und größtmögliche Produktivität abzielen, sondern so, daß zum einen die Sinnhaftigkeit des gesamten Arbeitsprozesses verstanden werden kann, und daß zum anderen der therapeutische und persönlichkeitsbildende Aspekt der Arbeit, sowie der Gemeinschaftsprozeß der Arbeitsgruppe im Vordergrund stehen.

Es wird Eigenproduktion betrieben, die einen möglichst individuellen Arbeitsprozeß und die Überschaubarkeit des gesamten Herstellungsprozesses des einzelnen Werkstückes gewährleistet.

Deshalb werden handwerkliche Fertigungen und Tätigkeiten gepflegt und dem Arbeiten mit natürlichen Materialien, wie Holz, Ton, Textil und Metall, sowie Dienstleistungen der Vorzug gegeben.

Es wird ein wirtschaftlich verwertbares, d.h. verkaufbares Ergebnis angestrebt, damit der Betreute unmittelbar erleben kann, daß seine Arbeit einen Wert für die Mitmenschen und die “Außenwelt” hat.

 

Kulturelles Leben

Zur Menschenwürde gehört unerläßlich das Bedürfnis nach kultureller Betätigung, auch nach der Teilhabe an der Kultur der zeitgenössischen Welt, deshalb nimmt die Pflege des kulturellen Lebens in allen Bereichen einen hohen Stellenwert ein.

Dies zum einen im Alltag, durch die Pflege von Gesang und Musik, durch achtsames und kultiviertes  Einnehmen der Mahlzeiten oder auch das Bemühen um bewußte Sprachbildung.

Kultur im Alltag drückt sich auch in der Gestaltung der gemeinsamen Räume und Gebäude aus. Die Räume sollen Schönheit und Einfachheit ausstrahlen, ihre Pflege und Benutzung soll in wertschätzender Achtsamkeit und Bewußtheit geschehen.

Einen weiteren wichtigen Stellenwert hat die Teilnahme an den kulturellen Ereignissen der Region; an den Festen in den Dörfern, den Besuch von Konzerten und Theateraufführungen und Kinobesuchen.

Hierdurch werden die kulturellen Errungenschaften der Gesellschaft erlebt und damit auch immer wieder die Begegnung mit der Welt und die Anteilnahme an dieser ermöglicht.

Das Feiern der Jahresfeste Johanni, Michaeli, Weihnachten und Ostern in der Gemeinschaft soll ein Bewußtsein für den Jahreslauf der Natur und die Verbundenheit des Menschen mit dieser entwickeln helfen und zu einer religiösen und geistigen Vertiefung des persönlichen Lebens führen.

Religiöses Leben

Auch (und gerade) der Mensch mit geistiger Behinderung verspürt das Bedürfnis nach Sinn-haftigkeit des eigenen Lebens und Daseins jenseits des Alltags.

Damit verbunden ist die dem Menschen innewohnende Fragestellung nach dem überpersönlichen Daseinsgrund des menschlichen Lebens, die sich – unter anderem – im Bedürfnis nach Religiosität ausdrückt.

Die Religion kann dem Menschen eine tiefe existentielle Geborgenheit und Sicherheit vermitteln, welche sich allein durch die sozialen Prozesse in der Gemeinschaft nicht herstellen läßt.

Darüber hinaus sind es die allgemeinen ethischen Werte des Menschseins, welche sich in den Grundsätzen aller Religionen wiederspiegeln und durch gelebte Praxis immer wieder bewußt gemacht werden.

Notwendig dafür ist eine wiederkehrende, beständige Praxis, wie Tischgebete, wöchentliche Bibelabende, der Besuch von Gottesdiensten der verschiedenen Konfessionen, das Feiern der Jahresfeste u.a.

Dies wird mit aktiver Unterstützung der Mitarbeiter begleitet und teilweise gestaltet.

Die Pflege der religiösen Praxis ist auch der Versuch, dem Menschen den inneren geistigen Wesenskern seiner Persönlichkeit  so weit wie möglich bewußt zu machen – denjenigen Anteil, welcher ungeachtet aller Erscheinungsformen von Behinderung gesund ist.